Mittwoch, 6. Dezember 2017

Differenzierung mithilfe digitaler Medien?!

Kinder haben unterschiedliche Lernstrategien, Vorwissen, Lernmotivation, kulturelle Rahmenbedingungen, wachsen in verschiedenen sozioökonomischen Umständen auf und sprechen unterschiedliche Sprachen. Um jedem Kind optimale Lernbedingungen zu schaffen, sind Lehrer mehr denn je dazu angehalten zu differenzieren. Im neuen Bildungsplan von 2016 wird deshalb für einen angemessenen Umgang mit Heterogenität als Basis für eine individuelle Förderung und mehr Bildungsgerechtigkeit plädiert (Lehrkräftebegleitheft Bildungsplan 2016).

Die Digitalisierung und der Wandel im Umgang mit dem Internet, die auch in der Bildung stattfinden, schaffen ganz neue Möglichkeiten, aber auch Risiken. Fakt ist, dass Schulen sich mit dem Netz, seinen Einsatzmöglichkeiten, dem (gegebenenfalls vorhandenen) pädagogischen Wert jener Möglichkeiten für die Bildung, sowie den Gefahren auseinandersetzen müssen, um mit den „digital natives“ mitzuhalten, in deren Leben das Internet schon vor langer Zeit, Einzug gehalten hat. Wir stehen deshalb vor der Herausforderung, geeignete Möglichkeiten zu finden, digitale Medien und das Internet in den Schulalltag einzugliedern und deren Vorteile für verbesserte Lernbedingungen zu nutzen.

Können digitale Hilfsmittel zur Verbesserung der Differenzierung innerhalb einer Lerngruppe beitragen? Kritiker argumentieren, dass digitale Medien den Unterricht lediglich als Störfaktor beeinflussen und durch deren Nutzung in der Schule sozialer Ausschluss, der sich in Formen wie Cybermobbing oder online shaming zeigt, begünstigt wird, was durchaus Einfluss auf die Lernsituation hat. An einen positiven Einfluss, der zu einer besseren individuellen Förderung der Kinder beitragen könnte, wird oft nicht gedacht, da solche Folgen eher langfristig und unterschwellig zum Vorschein kommen.

Jedoch machen mehrere Projekte vor, wie die Digitalisierung einen positiven Effekt auf die Differenzierung und individuelle Förderung haben kann. Das Projekt „Teach to One“ – ein Projekt der Organisation „New Classrooms“, die vom New York City Department of Education unterstützt wird – kombiniert Frontal-Unterricht mit „peer“-Gruppenarbeit und Online Tutoring. Als Vertreter des Blended Learning-Ansatzes, der versucht, die Vorteile der Lehrer-geleiteten Anleitung und diejenigen der Technologie zu vereinen, wird hier dafür gesorgt, dass die Kinder in ihrem eigenen Lerntempo lernen können, ihre individuelle Lernstrategie verfolgen können und ihre Lernerfolge nachverfolgen können.

Das Programm, das 2017 bereits mit 18 Schulen innerhalb den USA kooperiert, geht einher mit einem neuen, offenen Raumkonzept, der Nutzung des Internet als Lernplattform und der Selbstständigkeit der Kinder, die damit optimale Förderung erhalten sollen.

Aber was sind die Erfolge des Programms? Seit dem Start des Programms 2011 ließen sich einige Leistungsunterschiede (v.a. im Bereich Mathematik) zu Gunsten der Teach-to-One-Schüler feststellen. Jedoch ist auch auffällig, dass einige – wenn auch wenige – Schülergruppen eher unterdurchschnittliche Leistung zeigten. Kritiker sagen deshalb, aus „teach to one“ wird „teach to some“. Betrachtet man die Leistungsveränderung der SchülerInnen aber im Allgemeinen, sind die Ergebnisse sehr positiv.

Die Erfolge der „Teach To One“-Schulen in den USA sowie einiger anderer Projekte zeigen, dass ein sinnvoller Einsatz digitaler Medien und des Internet durchaus einen positiven Einfluss auf die Differenzierung innerhalb einer Lerngruppe haben kann. Durch die verschiedenen Bausteine gibt es eine Auswahl an Wegen, auf denen Kinder ihre Aufgaben bestreiten können und sich somit die Methode auswählen können, mit der sie ihrem Lerntyp am ehesten gerecht werden. Ich denke, dass durch das Konzept auch andere Fähigkeiten der Kinder gestärkt werden können, wie zum Beispiel Selbstwahrnehmung, Selbstständigkeit und Sozialkompetenz sowie Medienkompetenz.

In Deutschland gibt es zwar einige Schulen mit „Tablet-Klassen“, in denen SchülerInnen selbstständig arbeiten können, und auch Youtube-Videos, die als sehr geeignete Lernmethoden gelten, werden öfters eingesetzt. Ein Gesamtkonzept jedoch, das die Vorteile des individuellen Lernens, des „peer-assessment“ und der Anleitung durch die Lehrperson dauerhaft kombiniert, gibt es, glaube ich, noch nicht.

Es bleibt auf jeden Fall spannend, wie sich solche Projekte weiterhin entwickeln und auf welche Arten sich Digitalisierung mit Bildung verweben lässt. Wer sich für den Schulalltag in einer Teach-to-One-school interessiert, kann hier reinschauen...

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