Donnerstag, 23. März 2017

Propaganda im Namen des Propheten - Radikalisierung junger Menschen im Internet

„Islamistische Terroristen, darunter minderjährige Salafisten und radikalisierte Flüchtlinge, verübten eine ganze Reihe von Anschlägen. In Hannover, in Essen, Würzburg, Ansbach und auf dem Berliner Breitscheidplatz. Und in Chemnitz wurde wohl gerade noch rechtzeitig ein Bombenanschlag eines syrischen IS-Anhängers verhindert. Der Terroralarm, so sagen viele Ermittler, ist inzwischen so etwas wie der neue Normalzustand.“ (Bewarder 2017)
Terrorwarnungen, Anschlagsdrohungen, geräumte Einkaufszentren oder Bahnhöfe - der Terror ist angekommen, mitten in Deutschland.

Im Moment wird sehr viel gesprochen über Terror, über Gefahr und über die Menschen, die diese Gefahr verbreiten. Dabei sind es vor allem junge Leute, die sich radikalisieren lassen, aus Überzeugung Menschen töten und bereit sind, selbst dafür zu sterben. Aber was muss passieren, dass man derartig abdriftet? Wieso entscheidet man sich gegen ein Leben in Frieden mit Familie und Freunden und sucht stattdessen voller Hass den Weg in den Krieg? Ich möchte herausfinden, wieso und wie schnell so etwas passieren kann, derart radikalisiert zu werden, welche Methoden dabei verwendet werden und welche Rolle das Web 2.0 dabei spielt. Und noch viel wichtiger: Wie kommt man da dann eigentlich wieder raus?


Salafismus (eine fundamentalistische Strömung des Islam) und Dschihadismus (Dschihad = Kampf der Muslime zur Verteidigung und Verbreitung des Islams, "Heiliger Krieg") sind für die deutsche Gesellschaft zu einem Alltagsphänomen und für Politik, Medien und die Bevölkerung zu einem Dauerthema geworden. Immer wieder begegnen uns in unzähligen Artikeln junge Menschen, die direkt aus Deutschland den Weg in den Dschihad fanden. Und immer wieder stellen wir uns die Frage: Wieso? Was muss einen jungen Menschen dazu bewegen, sein komplettes Leben hinter sich zu lassen und den Weg des Hasses zu gehen. Einen Hass, der sich gegen alle Andersdenkenden und Andersgläubigen richtet. 

Wieso radikalisieren sich Jugendliche?
„Drei meiner Weggefährten folgten dem Lockruf in den ‚Heiligen Krieg‘ gegen die Ungläubigen, die Kuffar. Einer dieser Dschihadisten kommandiert inzwischen eine ‚deutsche Einheit‘ einer tschetschenischen IS-Truppe. Dabei war Daniel früher ein eher scheuer, friedfertiger Mensch gewesen. Im Laufe der letzten Jahre wandelte er sich zu einem Hardcore-Salafisten.“ (Schmitz 2016, S. 8)
Dominic war ein Konvertit, ein Feind westlicher Werte, ein Gegner von moderner Kleidung. Sein Leben orientierte sich an der Sunna, der Handlungsweise des Propheten Mohammed aus dem Frühmittelalter. Die einzige Richtschnur war die Scharia, die islamische Gesetzsammlung, welche zum Beispiel untreue Eheleute steinigen lässt und Dieben die rechte Hand abtrennt. Er ist abgetaucht in eine fundamentalistische Parallelwelt, die voller Hass gegen alle Andersdenkende war. Wie er in diese Welt kam, wie er diese Zeit erlebt hat und letztendlich den Absprung geschafft hat, erzählt er in seinem Buch: "Ich war ein Salafist - Meine Zeit in der islamistischen Parallelwelt."

Dominic verschafft Einblicke in die Salafisten-Szene, wie man sie nur selten bekommt. Er erzählt, wie er vom orientierungslosen Gesamtschüler, der täglich nur Drogen, Alkohol, Mädels und Rap-Songs im Kopf hatte, in diese Szene abrutschte. Seiner Meinung nach gibt es in Deutschland zu wenige Prediger, die offensiv gegen die intoleranten Hassprediger vorgehen, und für Imame ist das Web 2.0 immer noch ein Fremdwort. Doch gerade im sozialen Netzwerk
„[…] fangen sie ebenjene junge Leute ein, die wie ich auf der Suche waren. Auf der Suche nach einem Halt, nach einem Sinn, nach einem Anker in einer säkularen Welt, mit all ihren Verlockungen, wo gutes Aussehen und Kohle eine viel wichtigere Rolle spielen als Empathie für den Nächsten. …Mir fehlten Gemeinschaft, Wertschätzung, Liebe und Zuneigung. Das sind genau die Schwachpunkte, die den salafistischen Bauernfängern nach wie vor Tausende junger Menschen in die Arme treiben.“ (Schmitz 2016, S. 15)
Die Radikalisierung junger Muslime ist für die Gesellschaft und die Sicherheitsbehörden eine große Herausforderung. Doch wer radikalisiert sich nun eigentlich? Jeder Fall einer Radikalisierung ist sehr individuell. Sie ist ein Prozess und funktioniert auch nicht ohne meist komplexe und unterschiedliche Umstände des Jugendlichen.

Der psychische Zustand der Entfremdung ist meist der Beginn. Biographische Brüche wie Migrationserfahrungen, Entwurzelung, persönliche und familiäre Katastrophen oder Gefängnisaufenthalte können ein wichtiger Aspekt sein. Doch auch Unzufriedenheit, wenig zwischenmenschliche Kontakte und ein schwaches soziales Umfeld oder Perspektivlosigkeit, die durch ein Scheitern in der Schule oder im Beruf entstehen, begünstigen diesen Prozess.

Vor allem bei Jugendlichen, bei denen die Vaterfigur fehlt, kommt der Salafismus gut an (vgl. Mansour 2014). Klare Regeln, eine strenge aber klare Linie und die Möglichkeit auch in den Konflikt zu gehen, fehlen hier. Der Salafismus bietet den Jugendlichen eben diese Vaterfigur, welche jedoch mit einer Angstpädagogik arbeitet. Die verschiedenen Krisen der Jugendlichen werden von den Radikalen ausgenutzt, und ihnen werden Angebote gemacht, die auf sie zugeschnitten sind.

Es wird den Jugendlichen, die häufig in einer Identitätskrise stecken, verursacht durch ein mangelndes Zugehörigkeitsgefühl zur Mehrheitsgesellschaft oder Erfahrungen mit Diskriminierung, eine neue Identität angeboten. Durch die Aufnahme in eine Gruppe erfahren die Neulinge Anerkennung und Wertschätzung. Die salafistischen Angebote bieten ihnen ein einfaches und klares Weltbild, bei dem sie auf der Seite des Guten stehen, ohne jegliche Vorbedingungen.

Der Islam bietet ihnen eine Antwort auf alle Fragen. Die religiöse Ideologie nimmt ihren Lauf. Bestandteil der „neuen“ eigenen Identität ist der Hass. Man projiziert auf den anderen so viel Hass, dass man ohne den verhassten Anderen die eigene Identität gar nicht beschreiben oder identifizieren kann. Der „Gläubige“ braucht den Ungläubigen, um seine Wertigkeit darzustellen. Es ist eine echte Hassideologie. Sie müssen Hass nach außen projizieren, um eine Festigung nach innen zu manifestieren (vgl. bpb 2016). 

Die Nutzung des Internet durch Personen des salafistisch-dschihadistischen Spektrums

Mit Infoständen, persönlichen Ansprachen, Street-da’wa (Straßenmission), Seminaren und vielen anderen Propagandaaktivitäten versucht die salafistische Szene, Nicht-Musliminnen und Nicht-Muslime durch Konversion oder Musliminnen und Muslime, welche vom Weg abgekommen sind, auf den „richtigen Weg“ zu führen (vgl. Biene 2016, S. 86).
„Fester Bestandteil salafistischer Missionstätigkeit ist ihre mediale Gegenwelt, vor allem im Internet, die mehr an das Herz als an den Verstand appelliert.“ (Biene 2016, S. 94)
Doch welche Rolle spielt das Internet für terroristische Aktivitäten und die dschihadistische Bewegung eigentlich? Spätestens nach dem islamistischen Angriff am Frankfurter Flughafen durch Arid Uka lässt sich die Wichtigkeit des Internet für eine Radikalisierung selbst für den letzten Zweifler nicht mehr abstreiten.



Er radikalisierte sich innerhalb von wenigen Monaten durch das Internet und soziale Netzwerke. Arid sagte zudem aus, er habe ein Video der Islamischen Bewegung Usbekistans (IBU) gesehen, das ihn zu dieser Tat veranlasst hat. Das Video, das im pakistanischen Waziristan produziert wurde, zeigt laut dem Bonner Sprecher Yassin Chouka Vergewaltigungen afghanischer Frauen durch amerikanische Soldaten. Anschließend wird man aufgefordert, den bewaffneten Kampf gegen die Amerikaner aufzunehmen.

Die IBU übernahm in diesem Video eine Sequenz aus dem Film »Redacted« des amerikanischen Regisseurs Brian de Palma. Dieser Film zeigt – in Anlehnung an tatsächliche Ereignisse im irakischen Mahmudiya 2006 – die Vergewaltigung eines irakischen Mädchens durch amerikanische Gls. In den Vernehmungen von Uka gab er an, er wollte eine Wiederholung solcher Ereignisse vorbeugen.
„Der Fall Uka zeigt wie vielleicht sonst kein anderer die Bedeutung auf, die das Internet inzwischen für die Radikalisierung, die Rekrutierung und Mobilisierung junger Menschen für die dschihadistische Bewegung gewonnen hat. Mit dschihadistischer Ideologie kam er schon 2007 in Berührung und ließ sich überzeugen. Ab 2010 begann er Facebook zu nutzen, um in Kontakt mit Gleichgesinnten und salafistischen Predigern zu treten, den er im realen Leben wahrscheinlich gar nicht hatte.“ (Steinberger 2012, S. 7)
Das Internet ist das wichtigste Kommunikations- und Propagandamedium für Islamisten und islamistische Terroristen. Es ist grenzüberschreitend und ermöglicht eine schnelle Kommunikation und Interaktion. Zugleich bietet es eine unmittelbare Teilhabe an Personenschicksalen und Ereignissen, die sehr weit entfernt vom eigenen Aufenthaltsort stattfinden.

Zusätzlich zu der leichten Verfügbarkeit von Informationen verhilft das Internet zu einer schnellen Kontaktaufnahme und Kommunikation mit Gleichgesinnten über eine passwortgeschützte Kommunikationsplattform. Hier können sie sich frei austauschen (vgl. Verfassungsschutz 2014). Das dschihadistische Internet wird von drei Hauptakteuren betrieben:
  • An erster Stelle die terroristischen Organisationen und deren Mitglieder. Sie versuchen, das Internet für ihre interne und externe Kommunikation und für die Rekrutierung neuer Mitglieder zu nutzen.
  • In der zweiten Kategorie befinden sich die sogenannten Unterstützer. Sie haben sich keiner Organisation angeschlossen, unterstützen sie aber durch Hilfen bei Finanzierung, Rekrutierung oder der Schleusung von Freiwilligen.
  • Zuletzt die Sympathisanten, welche die Aktivitäten der Organisationen für gut befinden sowie auch deren Ideologie teilen. Sie teilen gepostete Botschaften und versehen sie mit Kommentaren oder fertigen gar Übersetzungen in einer anderen Sprache an (vgl. Steinberger, S. 14).
Die im Internet verbreitete dschihadistische Propaganda und die „virtuellen“ Netzwerke, die sich dort herausgebildet haben, tragen zum „globalen Dschihad“ bei. Es hat sich dadurch eine Gesamtbewegung herauskristallisiert, in der sich die Aktivisten und Sympathisanten wiederfinden und augenscheinlich weltumfassend agieren. Ihr Fundament und ihre damit verbundene Weltdeutung besteht aus ihrer Eigenwahrnehmung als Opfer. Sie sehen sich als Angegriffene und gleichzeitig aber auch als Kämpfer für eine vermeintliche universelle Gerechtigkeit (vgl. Verfassungsschutz 2014). 

Dschihadistische Propaganda

Videos, Audiodateien, Online-Zeitschriften und -Bücher, Bekenntnisse zu und Distanzierungen von Anschlägen, Interviews mit Anführern oder Mitgliedern dschihadistischer Gruppierungen sowie Ehrungen von „Märtyrern“ werden regelmäßig veröffentlicht. Es ist ein Teil der Selbstdarstellung zum Zweck der Einschüchterung des Gegners, der Motivation zukünftiger Sympathisanten des „globalen Dschihad“ sowie der Rekrutierung neuer Anhänger. Die sprachliche Differenzierung der Propaganda nimmt weiter zu. In immer mehr Sprachen wird das Propagandamaterial veröffentlicht, was auch gewünscht und gefördert wird.



Ein weiteres wichtiges Element der Propaganda ist die Legitimierung von dschihadistisch motivierten Gewalttaten. Große Aufmerksamkeit widmet sie insbesondere den Attentaten, die in den westlichen Ländern verübt wurden. Die Legitimierung spielt sich im Wesentlichen auf zwei unterschiedlichen Ebenen ab: Zum einen wird auf moralisch und politischer Ebene argumentiert und zum andern folgt eine islamrechtliche und religiöse Argumentation. Sie legen sehr großen Wert darauf, ihren Kampf durch islamisches Recht zu legitimieren. Muslime werden als Opfer einer permanenten Aggression dargestellt. Ihre Weltsicht wird in der Propaganda durch aktuelle Ereignisse immer wieder gezielt zu bestätigen versucht.

Die Glorifizierung und Porträtierung von Selbstmordattentätern gehört ebenfalls dazu. Videos thematisieren das vermeintliche Unrecht gegen Muslime. Hier wecken exzessive Gewaltdarstellungen beim Zuschauer Gefühle von Wut und den Wunsch nach Vergeltung. Anschließend folgt das Porträt des Attentäters, der sich für einen Selbstmordanschlag zur Verfügung stellt. Er wird als Vorbild, insbesondere für junge Männer, aufgebaut. Der Selbstmordattentäter als verantwortungsvoller Muslim, der die Pflicht des Kampfes für den Islam annimmt. Weiterhin nennt er selbst die Motive für seine Tat und rechtfertigt sie im Sinne der Ideologie dschihadistischer Gruppierungen (vgl. Verfassungsschutz 2014). 

Pop-Dschihad

Der Dschihadismus und die westliche mediale Kultur sind eng verknüpft. Nicolas Henin, der zehn Monate lang Geisel des Islamischen Staates war, schildert in einem Erfahrungsbericht folgendes:
„Ich habe erfahren, dass diese Dschihadisten wenig mit den lokalen arabischen und muslimischen Kulturen zu tun haben. Sie sprechen unsere Sprache, sie schauen dieselben Filme wie wir. […] von den 'Teletubbies' bis 'Games of Thrones'. Die Dschihadisten seien Produkte unserer Kultur, unserer Welt.“ (Spiegel 2015)
So wundert es einen auch nicht, dass der Dschihad als Pop-Dschihad daherkommt. In verschiedenen Rekrutierungsvideos greifen die Dschihadisten auf westliche Werbesprüche zurück: „Spielst du noch oder kämpfst du schon?“ oder „Yodo, you only die once - why not make it martydrom“ (Man stirbt nur einmal - warum nicht als Märtyrer). Der Dschihadismus wird so als hippe Jugendkultur inszeniert. Die Manipulationen können aber auch nur wirken, wenn sie auf fruchtbaren Boden fallen, wo also bereits eine Radikalisierungsbereitschaft vorhanden ist. 

Facebook, YouTube und Co. - per Mausklick in den Mediendschihad

Wie könnte man Jugendliche besser erreichen als durch die neuen Medien. Was früher nur durch eine lange und gezielte Recherche oder in speziellen Internetforen zu finden war, ist heute durch das Web 2.0 in rasender Geschwindigkeit möglich. Die Propaganda kann so schnell und einfach wie nie in kurzer Zeit verbreitet werden und steigert so die Gefahr von Online-Radikalisierungen drastisch.
„Die neuen Medien erlauben es, mit einem Minimum an finanziellen Mitteln und Personen maximale Wirkung zu erzielen, bekannt als asymmetrische Ressourcenmobilisierung.“ (El Difraoui 2012)
Facebook spielt eine wichtige Rolle, um vor allem Einzelpersonen anzusprechen, die bisher kaum erreicht werden konnten. Die Unterstützer spüren Facebook-Mitglieder auf, die für die dschihadistische Ideologie empfänglich sein könnten. Sie versuchen, in Gruppen Personen zu identifizieren, die bereits eine anti-westliche Meinung teilen. Zuerst werden sie in einem normalen Dialog umgarnt und um ihre Meinung gebeten, anschließend wird das Gespräch auf die Hauptthemen, wie zum Beispiel das durch Videos belegte Leiden der Muslime, gelenkt. Daraufhin wird die Unterhaltung auf einem passwortgeschützten Forum oder dem Messenger Telegramm weitergeführt. Dort werden durch Video- und Textbeispiele die Argumente untermauert.

YouTube als Videoaustauschportal macht das Verbreiten und Finden dschihadistischer Videos zu einem Kinderspiel. Fast jedes Video, das weltweit über Jahrzehnte produziert wurde, lässt sich heute noch abrufen. Ob Clips von dschihadistischen Predigten oder Kampf- und Märtyrervideos, alles lässt sich leicht und meist sogar schon durch eine Stichwortsuche in Google finden. Durch das Abonnieren von Kanälen wird man direkt informiert, wenn ein neues Video online kommt.

Eine Multiplikation der Kanäle verhindert zudem auch, dass Kanäle wirkungsvoll heruntergenommen werden können, da sofort über einen anderen Namen dasselbe Videomaterial hochgestellt wird. Auch ein Verbot bestimmter Lieder, wie zum Beispiel vom deutschen Dschihadisten Denis Cuspert, gestaltet sich schwierig, denn diese Lieder wurden zwar in Deutschland gesperrt, doch auf ausländischen Seiten sind sie noch immer zu finden.

Die verschiedenen sozialen Netzwerke können jedoch nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Ein Twitter-Beitrag kann auf eine Facebook-Seite hinweisen und ein Facebook-Beitrag zum Beispiel auf ein YouTube-Video, oder auch umgekehrt. Sie sind also sehr stark miteinander vernetzt (vgl. ebd. 2012).
„Dennoch lässt sich nicht pauschal einschätzen, ob die neuen Medien den Jihadisten und ihrer Propaganda mehr nützen als schaden. Die jeweiligen Netzwerke weisen unterschiedliche Stärken und Schwächen auf, deren Bedeutung für die terroristische Wirklichkeit sich immer wieder wandelt. Dessen scheinen sich auch die jihadistischen Propagandamacher zunehmend bewusst zu sein. […] Noch haben die Jihadisten die Möglichkeiten kaum ausgeschöpft, die das Web 2.0 eröffnet.“ (ebd. 2012, S. 75)
Doch die Dschihadisten haben den Cyberkrieg bereits ausgerufen. Durch die Radikalisierung vor allem junger Muslime steigt das Risiko für gesellschaftliche Spannungen, Auseinandersetzungen und terroristische Anschläge. Daraus entsteht eine große Herausforderung für die Gesellschaft und die Sicherheitsbehörden. Wie kann dieser Herausforderungen begegnet werden? 

Prävention
„Primäre und sekundäre Prävention setzen im Vorfeld bzw. in Frühphasen von Radikalisierungsprozessen an. Ihr Ziel ist es, soziale, kognitive und handlungsorientierte Kompetenzen zu fördern und zu stärken.“ (Biene 2016, S. 237)
Vorbeugen ist besser als heilen – Prävention macht Menschen immun gegen extremistische Ideologien. Man unterscheidet dabei zwischen allgemeiner Prävention (alle Menschen stark zu machen) und der gezielten bzw. spezifischen Prävention (gefährdete Jugendliche, Flüchtlinge etc.). Wichtig bei der Präventionsarbeit ist, dass sie einen Zugang zur Lebenswelt der vor allem jungen Menschen hat. Hier spielen Sozialarbeiter und zivilgesellschaftliche Akteure eine besondere Rolle, wobei auch Moscheen oder Islamverbände tätig werden können und Angebote machen. Auf der anderen Seite muss die Gesellschaft die Chancen von muslimischen Jugendlichen auf Erfolg in Schule und Beruf verbessern. Ein plurales Islamverständnis, entwickelt von der islamischen Gesellschaft als Gegenpol zum Salafismus, könnte auch von Nutzen sein (vgl. bpb 2016). 

Deradikalisierung

„Unter Deradikalisierung versteht man die Abkehr von extremistischen Handlungen und Weltbildern“ (Antworten auf Salafismus; 2017). Da jeder Radikalisierungsprozess und dessen Ursachen individuell unterschiedlich sind, gibt es kaum eine fallübergreifende Vorgehensweise. Jeder Fall muss gesondert betrachtet werden. Ein entscheidender Schritt für Radikalisierte ist es, Gewalt abzulehnen, die sie als Methode zur Durchsetzung ihrer Ziele „brauchen“ (vgl. bpb 2016). Ohne persönliche Gespräche und Motivation ist eine Veränderung der Einstellung allerdings nicht möglich. Unterstützend für die Deradikalisierung ist es, die Erziehungsberechtigten hinzuzuziehen (vgl. Antworten auf Salafismus; 2017) Wichtig ist auch hier der Bezug zur Lebenswelt des Jugendlichen. 

Ziele der Deradikalisierung:
  1. Disengagement: Unterstützung bei einem gewalt- und straffreien Weg
  2. Vollständige Ablösung der extremistischen Ideologie 
  3. Herauslösung aus dem extremistischen Umfeld

Neben Prävention und Deradikalisierung sind Aufklärung, Überwachung und Strafverfolgung durch die Sicherheitsbehörden wichtige Mittel im Kampf gegen den Dschihadismus. Deutliche Defizite gibt es hierbei in der Früherkennung, also der Beobachtung und Unterwanderung von Gruppen, die Radikalisierung fördern. Auch der Schutz der europäischen Außengrenzen muss effizienter werden. Bei der Terrorbekämpfung entsteht allerdings immer die Frage: Was sind die finanziellen und gesellschaftlichen Kosten? Wie weit wollen wir dabei gehen? 

Fazit

Das Internet bietet den Dschihadisten ein großes Feld an Möglichkeiten. Nie war es dank der sozialen Netzwerke so einfach, in kurzer Zeit so viele Menschen zu erreichen. Die Propaganda ist vor allem auf junge Menschen fokussiert, deshalb wäre eine medienpädagogische sowie eine allgemeine Aufklärung über diese Thematik in der Schule sehr sinnvoll.

Die Fälle der Radikalisierung sind sehr individuell, weshalb es wichtig wäre, die Präventionsarbeit von Sozialarbeiten oder auch Moscheen und Islamverbänden zu fördern. Ist der Radikalisierungsprozess schon im Gange, sollten Familie, Freunde und auch die Schule schnell handeln. Es gibt viele hilfreiche Angebote, die hier genutzt werden können.
Beratungsstelle für Migration und Flüchtlinge (BAMF)-Beratungsstelle Migration
Violence Prevention Network (VPN) 

Literatur

Bewarder, M. und Flade, F. (2017). Abgerufen am 8.3.2017 von Die Welt: https://www.welt.de/politik/deutschland/article162687417/IS-nimmt-Deutschland-noch-staerker-ins-Visier.html

Schmitz, D. (2016). Ich war ein Salafist - Meine Zeit in der islamistischen Szene. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung

Mansour, A. (2014). Abgerufen am 10.3.2017 von bpb.de: http://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/193521/salafistische-radikalisierung-und-was-man-dagegen-tun-kann

bpb (2016). Dossier Islamismus. Abgerufen am 10.3.2017 durch bpb: http://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/

Biene, J., Daase, C., Junk, J., Müller, H. (2016). Salafismus und Dschihadismus in Deutschland- Ursachen, Dynamiken, Handlungsempfehlungen. Frankfurt: Campus Verlag

Steinberg, G. (2012). Abgerufen am 13.3.2017 von swp-berlin.org. SWP Berlin Jihadismus und Internet: Eine deutsche Perspektive:
https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2012_S23_sbg.pdf#page=67

Bundesamt für Verfassungsschutz. Abgerufen am 13.3.2017 von verfassungsschutz.de. Die Nutzung des Internets durch Personen des salafistisch-„jihadistischen“ Spektrums:
https://www.verfassungsschutz.de/embed/faltblatt-2014-07-die-nutzung-des-internets.pdf

mxw/ron für den Spiegel. Abgerufen am 13.3.2017 von spiegel.de. Ex-Gefangener des IS: „Sie schauen die gleichen Filme.“:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/ex-geisel-von-jihadi-john-nicolas-henin-ueber-den-is-a-1022670.html

Bundesamt für Verfassungsschutz. Abgerufen am 14.3.2017 von verfassungsschutz.de. Themenschwerpunkte „jihadistischer“ Propaganda im Internet:
https://www.verfassungsschutz.de/embed/faltblatt-2014-07-themenschwerpunkte-jihadistischer-propaganda.pdf

El Difraoui, A. (2012) Abgerufen am 14.3.2017 von swp-berlin.org. Web 2.0 – mit einem Klick im Medienjihad:

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